2.GM - Sein Mögen

Personales Lernen braucht Beziehung, Zeit und Nähe

 

 

Waibel, E.M, Wurzrainer, A., 2016, Motivierte Kinder- authentische Lehrpersonen. Beltz Juventa: Weinheim und Basel

 

Nach dem Weltbezug der ersten Grundmotivation geht es in der zweiten GM um den Lebensbezug.

Hier wird unser Blick nicht mehr nur auf das nackte Dasein gelenkt, sondern auf dessen Gehalt. Neben Raum, Schutz und Halt der ersten GM brauchen wir auch Emotionalität. Das Leben wird erlebt, erlitten, als angenehm oder unangenehm empfunden. Gefühle färben unsere Beziehungen zur Welt und zu anderen Personen ein. Sie spiegeln unsere Beziehung zu unserem eigenen Leben und gipfeln in folgenden Fragen:

 

  • Wie fühlt sich mein Leben an?
  • Ist es gut für mich zu leben?
  • Gibt es in meinem Leben genug Wertvolles, sodass ich es als kostbar erleben kann?  Zieht mich mein Leben an und bereitet mir Freude?

 

Die Grundfrage des Lebens lautet also (Längle, 2013, S.76f) Ich lebe - mag ich leben?

 

Die Grundpfeiler dieser Dimension sind Beziehung, Zeit und Nähe, die Aktivität das Sich-Zuwenden.

Auf die Schule bezogen, ergeben sich folgende Fragen:

  • Wie ist es für mich persönlich in der Schule?
  • Wie fühlt es sich für mich an?
  • Mag ich in der Schule sein?
  • Ist es gut, da zu sein?
  • Erlebe ich die Schule als Ort des Wohlfühlens?
  • Gibt es da genügend Wertvolles für mich?
  • Tragen mich die Beziehungen in der Schule?

Wenn wir Zugang zu unseren Gefühlen haben und diese fließen können, formt sich daraus der GRUNDWERT oder die GRUNDBEZIEHUNG.

 

Alle bisherigen Beziehungen des Menschen verdichten sich zum Grundwert, der dadurch zur Quelle unserer Gefühle wird und unsere Beziehung zur Welt, zu anderen Menschen und zu Dingen einfärbt.

Im Grundwert spüren wir den Wert unseres eigenen Lebens. Durch das Spüren, dass es gut ist, dass es mich gibt, entwickle ich die Fähigkeit, auf (personale) Werte in der Welt zuzugehen, mich für diese zu entscheiden und sie umzusetzen. Dadurch entstehen Nähe-Erfahrungen zu mir selbst, zu anderen Menschen, Tieren, Ideen und Dingen.

 

Wurmitzer, B., 2008, „Hallo, hier bin ich!“, Abschlussarbeit EA &LT

 

Fragen, die Leben in den Schulalltag bringen

 

  • Kann ich den Begriff „Mögen“ inhaltlich füllen?
  • Beachte ich mein Mögen?
  • Beachte ich auch das Mögen der Kinder und deren Eltern?
  • Habe ich in meinem Schulalltag etwas, das ich mag?
  • Wie oft habe ich etwas, worauf ich Lust habe?
  • Schaue ich auf mein Mögen oder stehen „Sollen“ und „Müssen“ im Vordergrund?
  • Gebe ich dem Mögen Raum und wie oft?
  • Lasse ich mich vom Leben berühren, kann ich mich dafür öffnen, Nähe halten und Zeit aufbringen, um Beziehung zu leben?
  • Kann ich Trauer zulassen, weil nicht alles zum Leben kommt?
  • Stehe ich in der Früh gerne auf, um in die Schule zu gehen?

Beantworte ich diese Fragen positiv, kann ich das Wertvolle an mir und meiner Umwelt erleben und empfinden. Dadurch entwickelt sich mein Grundgefühl für den Wert des Lebens – der Grundwert.

 

Dies entspricht der Zustimmung nach der 2. Grundmotivation – JA zum Leben.

 

Mögen macht auch Angst

 

Was könnte passieren, wenn ich etwas mag und auch tu, worauf ich Lust verspüre? Welche Ängste kommen da auf? 

 

Angst, …

  • zu einem Außenseiter zu werden, nicht mehr gemocht zu sein.
  • vor Verletzung
  • vor Zurückweisung
  • vor der Dynamik der Lust
  • vor Egoismus
  • vor dem Ausgeliefertsein an das Mögen bis hin zu Abhängigkeit          etwas Wertloses zu mögen (Illustrierte, Autos, …)

Fragen stellen sich: „Stimmt mein Mögen?“ „Wie verlässlich ist es?“

  • Verpflichtungen zu vernachlässigen, Strukturen in Frage zu stellen, in Alltagssituationen beeinträchtigt zu sein
  • nur mehr das zu tun, was ich mag, mich in Behaglichkeit einzulullen
  • vor den Überraschungen, denen ich durch mein Mögen ausgesetzt bin
  • davor, erkennen zu müssen, dass ich bis jetzt falsch gelebt habe, dass mein Mögen keinen Platz hatte in meinem Leben.

Solche Fragen und Ängste brauchen den Dialog, um geklärt zu werden.

 

Dieses Modell verdeutlicht die Wichtigkeit der Beziehungsebene im Schulalltag.

 

Wie wichtig die Beziehungsebene für jede Form der Entwicklung ist, zeigen folgende Beispiele:

Still face experiment  Pygmalion Effekt  

Ein Beispiel für die Arbeit mit Gefühlen findet sich auch in der Projektarbeit von Manuela Wolf:

Schulversuch VS Vandans, S. 19 ff.

Veröffentlicht am 09.03.2022