Fundament / Phänomenologie

Längle, Alfried (1997) Burnout – Existentielle Bedeutung und Möglichkeiten der

Prävention. In: Existenzanalyse 2/97, S. 11 – 19. Wien: GLE

 

 

 

Phänomenologie

Phänomenologie ist das Bemühen, eine Sache aus sich heraus zu verstehen, statt aus den eigenen Vorstellungen, aus dem Zeitgeist heraus, durch Analogien usw.

Phänomenologie ist eine Wesensschau, eine doppelte Schau, in der ich von der Oberflächenwahrnehmung zur Tiefenwahrnehmung komme.

Es geht darum, was zeigt sich und wie zeigt es sich?  Wie kann ich vom Schein zum Sein kommen?

 

Drei Fragen M. Heideggers:

  1. Was zeigt sich (spontan)?                                            (Konstruktion)
  2. Ist es so?                                                                             (Dekonstruktion)
  3. Wie ist es?                                                                          (Rekonstruktion)

 

Die Phänomenologische Haltung erfordert:

  • Begrenzende Aussagen:
    • Ich spreche nur von dem, was sich zeigt.
    • Ich schaue darauf, wie es bei mir ankommt.
    • Ich stelle das Erkannte immer wieder in Frage, nach dem Muster: „Ist es so?“
       
  • Mut zur Subjektivität:
    Die Wahrnehmung erfolgt am subjektiven Erleben und nicht anhand objektiver Maßstäbe. Wesentliches lässt sich nur durch das eigene Wesen erfassen. Ich lasse mich von dem, was sich zeigt, beeindrucken und unterwerfe mich den Gegebenheiten.
     
  • Selbstreflexion und Epoché:
    Da ich als wahrnehmende Person im Erlebten auch immer selbst enthalten bin, erfordert die phänomenologische Haltung die Kenntnis meiner eigenen Art (eigene Anteile am Erkannten). Ich bleibe damit in Verbindung, klammere meine Anteile jedoch ein (Epoché), um der anderen Person unvoreingenommen begegnen zu können.

 

Dadurch komme ich heraus aus Spaltungen, Be- und Verurteilungen in eine wohltuende Neutralität und oft in ein Staunen.

 

Das Auge der Stille

Eine schöne, im religiösen Kontext angesiedelte Beschreibung der phänomenologischen Haltung, gab einmal der deutsche Religionsphilosoph Bernhard Welte.

Um wesentlich zu sehen, dazu braucht man mehr als bloß Augen, und manchmal sehen sogar die Blinden mehr als die Sehenden.

Um wesentlich zu sehen, braucht man auch mehr als bloßes Wissen. Wissen kann freilich sehr hilfreich sein zum rechten Sehen, aber es kommt darauf an, dass sich das Wissen schließlich verwandle in etwas Lebendiges, das mehr ist als Wissen allein.

Zum rechten Sehen braucht man auch mehr oder weniger als das, was man Sehenswürdigkeiten nennt.

Mehr, denn es gilt, das Geheimnis zu erspüren, das verborgener und größer ist als alle äußerlichen Denkmäler ihrer Äußerlichkeit.

Und weniger, weil das Auge des Herzens gerade im Unscheinbaren am ehesten sich öffnet für das verborgene Geheimnis des Wesens.

Das Sehen, das hier gemeint ist, braucht aber Besinnung, es braucht Stille, es braucht bisweilen Einsamkeit und bisweilen aus der Stille und Einsamkeit sich schenkend die Begegnung, das Du und das Ich.

Das Sehen mit dem Auge der Stille, mit dem Auge des Herzens, jenes tiefere Auge im Herzen des Menschen zu öffnen, das dem Geheimnis des Ewigen entgegenblickt und dieses gerade im Glanz und in der Härte der einfachen Dinge und Wesen erspürt. Der einfachen Dinge und Wesen, die wir, weil sie einfach sind, leicht übersehen.

Quelle: Katholische Jugend der Diözese St. Pölten: Orientierungstage leiten

 

Übung auch für Kinder

Kannst du einmal wirklich ganz still sein?

  • Du schaltest weder CD-Player noch Fernseher ein.
  • Du nimmst keine Zeitung und kein Buch zur Hand.
  • Du sitzt nicht vor dem Computer und spielst auch nicht dein Lieblingsinstrument.
  • Du denkst nicht an die tausend Dinge des Lebens.
  • Du lässt Ruhe in dich einströmen. Du hörst in dich hinein.
  • Fürchte dich nicht vor dieser Stille.
  • Hab keine Angst vor der Leere, die in dir aufsteigt.
  • Gib dich der Ruhe hin. So kann Frieden in dir einkehren.
Veröffentlicht am 09.03.2022